Ein Wort zum Schluss – Jubiläum der sächsischen Vernetzungsstelle und Abschied von der Projektleiterin
Liebe Netzwerk- und Kooperationspartner, liebe Akteure und Entscheider, Engagierte und Mitstreitende,
zeitgleich mit dem 15-jährigen Jubiläum der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung in Sachsen möchte ich mich heute als Leiterin der Vernetzungsstelle ganz persönlich an Sie wenden und mich verabschieden.
2008 richtete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gemeinsam mit den Bundesländern die Vernetzungsstellen als Ansprechpartner für Akteure vor Ort ein. Zentrales Ziel war und ist es, die DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen bekannt zu machen und ihre Anwendung in Kitas und Schulen zu befördern.
Fast 15 Jahre durfte auch ich mich mit der Vernetzungsstelle in Sachsen für eine gute Kita- und Schulverpflegung einsetzen. Das Projekt war bei verschiedenen Projektträgern angesiedelt: erst bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dann bei der Verbraucherzentrale Sachsen und seit 2015 bei der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V. (SLfG).
Ich blicke dankbar zurück auf zahlreiche Workshops und Webseminare, Beratungen und runde Tische, Speisenplanauswertungen, Leistungsbeschreibungen, Faltblätter, Instrumente und Presseinterviews.
13-mal fand bisher der Tag der Schulverpflegung statt und 6-mal der Tag der Kitaverpflegung. Beide Tage haben wir mit Aktionen begleitet. Ein besonderes Highlight war für mich immer die Fachtagung Kita- und Schulverpflegung, die auch in diesem Jahr wieder in Kooperation mit der Leipziger Messe GmbH im Rahmen der ISS GUT! Fachmesse stattfindet (7. November 2023).
Insgesamt wurden seit 2008 13 Projektanträge gestellt und noch mehr Sachberichte verfasst. Allein in der SLfG entstanden 32 Vernetzungsstellen-Newsletter und über 200 Website-Beiträge. Die projekteigene Website umfasst im Jahr über 23.000 Webaufrufe und 6.660 Besucherinnen und Besucher.
All dies erfolgte zu einem Zweck: Die Verpflegung in sächsischen Kitas und Schulen weiter voranzubringen – im Sinne einer gesundheitsfördernden und nachhaltigen Ernährung.
Und all dies basierte auf einem guten Team und gewachsenen Netzwerk aus Kooperationspartnern und Akteuren. Ich bedanke mich daher bei meinen (ehemaligen) Kolleginnen und Kollegen der DGE, der Verbraucherzentrale Sachsen und der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung, den Projektförderern, dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie Ihnen allen für Ihr Interesse am Thema und Ihren Einsatz.
Ich persönlich empfinde es als großes Glück, mit der Vernetzungsstellenarbeit gemeinsam mit vielen engagierten Menschen etwas zur gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beitragen zu dürfen. Der Sache bleibe ich daher treu. Ab 1. Oktober 2023 darf ich die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung in Berlin leiten. Ich freue mich, dass die sächsische Vernetzungsstelle mit meinen geschätzten Kolleginnen in guten Händen liegt: Sylvia Leitner (Landesprojekt) und Wiebke Helmcke (IN FORM-Projekt). Hier finden Sie die Kontakte.
Ihre Manuela Sorg, Projektleiterin
Ein Wort zum Schluss
Erlauben Sie mir zum Schluss, meine ganz persönliche Meinung und Erfahrung zu teilen:
Als Ökotrophologin begann ich meine Arbeit bei der Vernetzungsstelle mit der Vorstellung, alle Beteiligten über eine gesunde und auch nachhaltige Ernährung aufklären zu müssen. Meine Vision war es, dass Kinder und Jugendliche in einer ausreichend langen Mittagspause ein vielfältiges, leckeres und gesundes, nachhaltig produziertes gemeinsames Mittagessen in einem angenehmen Ambiente einnehmen und dann erholt, gestärkt und um ein paar Ernährungskompetenzen reicher in den Nachmittagsunterricht gehen. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Vision habe ich auch heute noch und teile Sie sicher mit den meisten von Ihnen.
Und tatsächlich konnte die Vernetzungsstelle in den letzten Jahren dazu beitragen, die DGE-Qualitätsstandards sowie manch Umsetzungsmöglichkeit bekannt zu machen und deren Akzeptanz auf allen Ebenen voranzubringen. Mit dem bestehenden Netzwerk aus Akteuren und Verantwortlichen konnten zahlreiche Prozesse der Qualitätsentwicklung angestoßen werden. Doch rückblickend und weitblickend sind Wissen, Überzeugung und Engagement nur drei Komponenten im komplexen Gefüge der Gemeinschaftsverpflegung. Aufklärung, Information und Beratung ist wichtig, aber reicht – vor allem in schwierigen Zeiten, in denen Ressourcen knapp sind – nicht aus.
Die Corona-Krise, die laufende Inflation und anhaltend steigende Energie- und Lebensmittelkosten stellen die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Die Qualitätsdebatte in der Kita- und Schulverpflegung wird nach meiner Beobachtung zunehmend abgelöst durch die (alte) Preisdebatte. Einige Fragen werden lauter z. B. ‚Kann sich noch jeder die Verpflegung in Kita und Schule für sein Kind oder seine Kinder leisten?‘, ‚Sollte es ein günstigeres „Sozialessen“ geben?‘, ‚Wo kann ich als Speisenanbieter noch einsparen und welche Qualität ist dafür überhaupt möglich?‘.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf eine wieder steigende Prävalenz von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter* sowie vorhandener Ernährungsarmut** sollte die Verpflegung in Kitas und Schulen mehr denn je als eine große Chance betrachtet werden, allen Kindern den Zugang zu einer gesunden Ernährung und damit zu einem gesunden Aufwachsen zu ermöglichen – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Neben Fortbildungsmaßnahmen, Beratung und Netzwerkveranstaltungen sollte also auch die Frage nach verbindlichen Qualitätsstandards und einem kostenfreien Kita- und Schulessen neu und ernsthaft in die politische Diskussion von Bund, Ländern und Kommunen aufgenommen werden. Es wird Zeit.
Die Verpflegung in Kitas und Schulen hat ein großes Potential, gesundheitliche Chancen zu verbessern, soziale Ungleichheiten ein Stück weit zu kompensieren und - ganz nebenbei - auch einen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung in unserem Land zu leisten.
Ihre Manuela Sorg
*) Dass sich die Prävalenz von frühem Übergewicht mit seinen gesundheitlichen Folgerisiken während der Corona-Pandemie deutlich erhöht hat, belegen aktuelle Daten aus der Sächsischen Schulaufnahmeuntersuchung, der AOK PLUS, eine repräsentative Forsa-Umfrage sowie die Befragungsergebnisse der COPSY-Studie (Corona und Psyche). [1] [2] Besonders deutlich wurde dies bei Kindern aus einkommensschwachen Familien, die häufig in besonderem Maße von regelmäßigen Mahlzeiten in der Schule profitieren. [3] [4] [5]
[1] Statistisches Landesamt Sachsen (2021): Schulaufnahmeuntersuchung. Übergewicht und Adipositas im Schuljahr 2020/2021, verfügbar unter: https://www.statistik.sachsen.de/download/faktenblatt/flyer_statistik-sachsen_faktenblatt_adipositas.pdf
[2] Beitrag zu einer repräsentativen Forsa-Umfrage auf sz-online (2.6.2022): Übergewicht bei Kindern. Die nächste Epidemie, verfügbar unter: https://www.zeit.de/gesundheit/2022-06/uebergewicht-kinder-adipositas-corona-pandemie-folgen/komplettansicht
[3] BMG und BMFSFJ (30.06.21): Kabinettsitzung am 30. Juni 2021 -TOP Verschiedenes. Übersicht zu gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche (Stand 29. Juni 2021).
Verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob (Stand: 11.09.2023)
[4] Pressemitteilung der AOK PLUS (30.8.2022): Zu dick, einsilbig und verhaltensauffällig?, verfügbar unter: https://www.aok.de/pk/cl/plus/inhalt/sachsen-zu-dick-einsilbig-und-verhaltensauffaellig/ (Stand: 11.09.2023)
[5] Weiterführende Informationen zur COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) verfügbar unter: https://www.uke.de/allgemein/presse/ (Stand: 11.09.2023)
**) Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) widmete sich auf dem 7. BZfE-Forum am 31. August 2023 dem Thema „Ernährungsarmut in Deutschland – sehen, verstehen, begegnen“ und kommt zu dem Schluss, dass Ernährungsarmut ein wachsendes Problem darstellt und die derzeitigen staatlichen Hilfen nicht ausreichen.
Lesen Sie dazu mehr in unserem Beitrag.